Donnerstag, März 03, 2005

Wär' ich nicht arm, wärst du nicht reich
Den Reichen und Spitzenverdienern in unserer Gesellschaft müsste man deutlicher vor Augen führen, wem sie ihren Reichtum verdanken.

Denn auch ihr Reichtum ist letztlich ungesichert und existiert nur so lange wie die Gesamtwirtschaft funktioniert. Wenn immer mehr Menschen aus dem Erwerbsleben gedrängt werden, dann ist letztlich auch der Reichtum der Reichen bedroht.

http://www.sueddeutsche.de/,tt2m3/deutschland/artikel/741/48693/

Wobei ich ein Herausdrängen aus dem Erwerbsleben unbedingt auch durch ein Medizinwesen sehe und erlebe, dass Patienten zu Sozialfällen therapiert, weil nicht gesunde Menschen dem Arzt Profit bringen, sondern nur Patienten.

Aber nur wer wirtschaftlich produktiv ist, kann Geld in das Medizinwesen pumpen. Das bedeutet also für Ärzte eine Konflikt-Schere.

Der Topf des Gesundheits-Budgets, aus dem die Ärzte ihr Geld schöpfen, wird nur vom erwerbstätigen Teil der Bevölkerung aufgefüllt, aber den Zugang zum Topf bekommen die Ärzte nur über kranke Menschen, also Patienten, resp. über deren Chipkarten. Je mehr Menschen der Arzt zu (Dauer) Patienten macht, desto häufiger und grösser ist sein Zugang zum GeldTopf des Gesunheitsbudgets, aber umso weniger gesunde Menschen stehen dann auch als wirtschaftliche Produktivkräfte zur Verfügung, um diesen Topf wieder aufzufüllen. Je mehr Patienten die Ärzte nachhaltig gesund therapieren würden, desto grösser würde der Pool leistungsfähiger Bürger, aber die Ärzte verlören damit die Zugänge zum grossen GeldTopf.

Im ersten Fall wird also die EinnahmeSeite durch Ärzte immer mehr geschwächt, während die AusgabenSeite expandiert - das ist die reale heutige Situation. Im zweiten Fall gäbe es immer wieder einen übervollen Budget-Topf - bei vermutlich weniger Nachfrage nach Leistungen (weil die Menschen nachhaltig gesünder wären), was EinkommenEinbussen für Ärzte bedeuten würde und mittel- oder langfristig die KrankenKassenBeiträge erheblich senken würde, also eine drastische Verringerung der LohnNebenkosten. Das wiederum würde die Nachfrage der Wirtschaft nach gesunden, leistungsfähigen Arbeitskräften befördern, von denen es dann auch hier zu Lande genug gäbe. Es würde also eine wirtschaftliche AufwärtsSpirale in Gang gesetzt, wenn Ärzte ein primäres Interesse daran hätten, Menschen nachhaltig gesund zu therapieren. Die heutige Situation ist das Gegenteil davon und wir sehen und erleben die katastrophalen Folgen.
Man stelle sich beispielsweise mal vor, alle Erwerbstätigen müssten regelmässig in eine FeuerwehrKasse einzahlen, die dann mehrere hundert Millionen Euro enthält und aus der die Feuerwehren des Landes bezahlt werden - aber immer nur wenn's irgendwo brennt und sie zum Löschen ausrücken. Teile unserer Städte wären sicher ständig bis auf die Grundmauern heruntergebrannt.

Prinzipiell sind ja mehrere Modelle vorstellbar, wie Ärzte mit dieser Konflikt-Schere umgehen: Sie teilen die Bevölkerung im o.g. Sinne in eine Gruppe der Leistungsträger, die gesund, leistungsfähig und erwerbstätig sind und damit die Sozialkassen auffüllen, und in die Kaste der LeistungsBezieher, die als Patienten dem Arzt Zugänge zu den Geldtöpfen verschaffen. Die Leistungsträger wären demnach für den Arzt eine Gruppe, auf die er idR keinen Zugriff hat, weil die keinen ernsten ärztlichen Kontakt benötigt - diese Gruppe dient der Ärzteschaft also allein als Auffüller der Krankenkassen. Hingegen die Kaste der Leistungsbezieher (Patienten) wäre ein Pool von Menschen, auf die der Arzt einmal richtig Zugriff hatte und die er sich nun in ständiger Abhängigkeit hält, also nie richtig gesund therapiert, um jederzeit über die Chipkarten Zugriff auf das GesundheitsBudget zu haben. Dem ähnelt etwa die heutige Situation.
Nur leider krankt dieses desaströse Modell an allen Ecken und Enden. Ganz elementar schon daran, dass sowohl die Gruppe der Nur-Einzahler-aber-nie-in-Anspruch-Nehmer darüber tief frustriert ist, dass sie Monat für Monat, Jahr für Jahr horrende Beiträge einzahlen, aber dafür selten oder nie eine Gegenleistung bekommen, aber auch die Kaste der abhängig, also krank gehaltenen Patienten, spürt die Ähnlichkeit der eigenen ZwangsLage mit der von Nutzvieh. Beide Lager sind also höchst frustriert. Zudem lässt sich eine solch strenge Gruppentrennung in einer hochmobilen, durchlässigen Gesellschaft nur mit Druck und Gewalt und nicht vollständig aufrecht erhalten. Dennoch scheint mir dieses Modell weitgehend gängige Praxis zu sein.

Aber da gibt es ja noch ein anderes Modell: Hier strebt der Arzt an, auch regelmässigen Zugriff auf die o.g. Gruppe der eigentlich gesunden Leistungsträger zu erlangen, um auch über sie kontinuierlich abrechnen zu können. Davon zeugen die massiven Bestrebungen des MedizinWesens alles und jeden als irgendwie behandlungs- oder wenigstens regelmässig untersuchungsbedürftig zu erklären.

Als Lösung des o.g. Grundwiderspruchs, wird manchmal das alte chinesische Modell erwähnt: der Arzt wurde solange von den Bürgern bezahlt, wie sie gesund waren. Wurde ein Bürger krank, bekam der Arzt kein Geld mehr von ihm - solange, bis der Patient wieder genesen war und arbeitete. Eine bestechend sinnvoll erscheinende Logik.
Jedoch wirft auch dieses Modell Fragen auf: Für wieviele Bürger ist ein Arzt zuständig, also wieviele Bürger zahlen für ihn und wieviel zahlt der Einzelne? Entscheidet der Arzt allein, wer krank ist und nicht mehr an ihn zahlen muss?
Bemerkenswert ist ja, dass wir hier zu Lande eigentlich einen ähnlichen Ansatz haben: Die Bürger zahlen solange sie gesund und erwerbstätig sind in die Krankenkasse ein. Jedoch bei uns bekommt der Arzt dann noch kein Geld. Er bekommt erst und nur dann Geld, wenn ein Mensch krank ist. Verrückt, weil es den perversen Anreiz setzt, Menschen krank zu machen und Kranke nicht richtig gesund zu therapieren!

Das Ziel müsste sein, einerseits möglichst altruistischen Menschen den Zugang zum Arztberuf zu verschaffen (Wozu gibt es psychologische Persönlichkeits-Tests?) und die Karriere und Geld fixierten Kandidaten abzuhalten, und den den Ärzten eine Grundsicherung zu zahlen, unabhängig davon, ob sie Patienten haben oder nicht. Natürlich mit regelmässigen Grundpflichten und diversen Anreizen, nachhaltig gute ärztliche Praxis vorzuhalten.