Gute Ärzte
gibt es natürlich auch - die menschlich-charakterlich und fachlich ihrer schwierigen Aufgabe gewachsen sind und einen guten Job machen.
Die wissen, dass sie als Arzt eine privilegierte Position innehaben:
Einen der krisensichersten Berufe, oft Spitzeneinkommer, Systemträger, Inhaber von Herrschaftswissen, Einblick in die privatesten, intimsten Details von Teilen der Bevölkerung.
Die Gesellschaft/der Staat ermöglicht dem Medizinstudenten eines der längsten Studienzeiten überhaupt und bekanntlich zählen Studienjahre mit zu den schönsten Lebensjahren.
Das Wissen und die Macht der Ärzte beruht auf vielen Bedingungen. Viele Nicht-Ärzte haben dazu beigetragen, dass ein Mensch schliesslich Arzt werden kann: Das gesamte Medizin-Wissen seitdem dies dokumentiert wird und dessen Datenträger bewahrt und geschützt werden, viele Kranke und Tote, die als Wissensquelle herhalten mussten, Ingenieure und Techniker, welche die moderne Diagnose- und Therarpiegeräte entwickeln, der sog. kleine Mann, die kleine Frau, von deren Steuern das lange Medizinstudium bezahlt wird. Und so weiter. Und last but not least: "Tust du mir oder meiner Familie schlechtes, dann soll es auch dir oder deiner Familie nicht mehr gut gehn."
Ich denke, jedem Arzt ist eine Verpflichtung erwachsen, seine Aufgabe nicht als persönliche gönnerhafte Entscheidung abhängig von Symphatie oder Antiphatie, über Gesundheit oder Siechtumg, Leben oder Tod zu treffen, sondern als Aufgabe im Dienste zuerst am einzelnen Patienten und dann der Gesellschaft gegenüber - in Demut und Respekt vor seiner ihm gewährten Macht. Also seinen Beruf nicht als persönliches Machtinstrument zu sehen und damit zu missbrauchen, sondern sachlich, quasi als fachkompetentes Medium, um Gesundheit und Selbstbestimmung in Richtung des Patienten zu transportieren und zu verwirklichen.
Die Gesellschaft gewährt die Installation und Unterhaltung eine der komplexesten und mächtigsten Infrastrukturen die es gibt - nämlich die der Mediziner (ich sehe diese bereits als einen Staat im Staate, eine Iatrokratie), finanziert von der großen Masse nicht-ärztlicher Bürger.
Wenn man schon keine Sensibilität für die Würde jedes einzelnen Menschen aufbringen kann, und mit dem Patienten ruppig umgeht (sowas kann ein temporärer Patient eine Weile verkraften, geht vorüber), dann ist aber die absolute Grenze, der Respekt und die Achtung vor seiner körperlichen und seelischen Integrität (also die Verhinderung irreversibler Schäden). Das sind nicht nur die ersten Maximen unseres Grundgesetzes, das geht aus dem kantschen kategorischen Imperativ hervor - und es ist eine Quintessenz als kleinster gemeinsamer Nenner, als Ersatz für archaische Gesetze der Selbstjustiz. Man kann nicht solche elementaren archaischen Grundgesetze durch neue zivile Gesetze ersetzen, die dann nicht bewahrt, sondern zu Staub zerbröselt werden.
Selbst ein ärztliches Credo aus dem Eid des Hippokrates / Ärztegelöbnis lautet, "Wenn der Arzt schon nicht nützen kann (oder meinetwegen auch nicht will), dann darf er dem Patienten wenigstens nicht schaden". Meine persönliche Erfahrung ist, es scheren sich viel zu viele Ärzte um gar keines der o.g. Regeln, Imperative, Gesetze, - und gehen über sprichwörtliche Leichen.
Zum guten Arzt gehört m.E. auch das Menschen- resp. Gesellschaftsbild, dass diese Gesellschaft sich aus einzelnen Individuen bilden soll - nicht umgekehrt, das Individuum nach einem Gesellschaftsbild zurecht geschnitzt. Respektive wenn der einzelne Mensch nach einem übergeordneten Maßstab von aussen geformt werden darf und soll (Bildung, Erziehung, Justiz, Medizin) - dann hat dieser Maßstab das Grundgesetz, resp. die universalen Menschenrechte zu sein - jedoch kein religiöses Dogma und erst Recht keine persönliche charakterliche Deformation eines Machtinhabers (das Vorletzte sage ich besonders in Richtung katholische Mediziner).
Nur was nützt das, wenn die guten Ärzte sich wegducken, sobald einem kriminellen oder "nur" pfuschenden Standes-Kollegen sein übles Handwerk gelegt werden soll? Gar nichts! Offenbar sind diese guten Ärzte hoffnunglos in der Minderzahl - zu schwach, um ihren Kopf aus der Masse übler Kollegen heraus zu heben. Und zuwenig Rückendeckung aus Politik und Justiz. Also noch ein guter Grund, den Patientenschutz zu stärken. Weil man damit auch die Position der guten Ärzte stärken würde. Diese sollten sich aber auch verstärkt selbst in die richtige Richtung bewegen.