Der globale Ärztestaat: Patienten gefangen im elektronischen Netz
Einen Artikel mit dem Titel "eHealth-Wahn ungebremst", in der Januarausgabe der Zeitschrift "Der Freie Zahnarzt", fasse ich als Bürger und potentieller Patient wie folgt zusammen:
Vor einigen Monaten gab es eine "First Southeast European eHealth Networking Conference" in Sarajevo. 13 südosteuropäische Länder befassten sich dabei mit dem Thema Telematik im Gesundheitswesen. Die EU finazierte die Konferenz, für die es schon einen Nachfolgetermin gibt. Es ging u.a. um lebenslange Aufzeichnungen ("patient records"). Kosteneinsparungen werden mit eHealth angeblich nicht erzielt.
Als erfolgreiches Beispiel für eHealth wurde eines aus Schottland zitiert:
Dort wurde ein ärztliches Notdienstsystem eingeführt, weil die National-Health-Service-(NHS)Ärzte nicht mehr nach 17Uhr arbeiten wollten. Der Patient ruft bei einem "NHS24-Callcenter" an; hier entscheidet eine nichtärztliche Kraft anhand von den bestehenden fünf Millionen Patientenakten (allerdings nur mit Aufzeichnungen über Medikation und Allergien) sowie telefonischen Informationen des Patienten, welche medizinische Massnahme zu erfolgen hat: Einweisung ins Krankenhaus, Hausbesuch, oder einfach nichts. Bislang habe es nur einen gravierenden Zwischenfall gegeben: ein Patient verstarb an einer Meningitis, da das Callcenter keinen Arzt einschaltete. Doch habe dies zu keiner öffentlichen Unruhe geführt, da die Akzeptanz des Systems flächendeckend sei.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG), das auch Zuständigkeiten für europäische und internationale eHealth-Fragen hat, teilt die Begeisterung für eHealth und betreibt die Errichtung von Basisstrukturen und deren internationale Vernetzung [Einschub vom Blogger: wie Beispielweise die Schaffung der Gesundheits-eCard mit der zentralen Speicherung aller unserer Patientendaten auf Internet-Servern und deren weltweite Abrufbarkeit]. Bereits 2007 sei eine enge Zusammenarbeit auf dem Gebiet der europaweiten elektronischen Gesundheitsdienste vereinbart worden. "Nun könnten endlich" di3 "grenzüberschreitende 'patient summary' und 'ePrescribing'" vorangebracht werden.
Angeblich geht es grundsätzlich um die effiziente medizinische Behandlung reisender EU-Bürger. Die deutsche gematik stellte epSOS vor (Smart Open Services for European Patients [Einschub vom Blogger: Und womöglich ein semantischer SOS-Ruf von Insidern an die ahnungslose Öffentlichkeit?]), und die brüsseler EHTEL (European Health Telematics Associations) stellte CALLIOPE (Call for Interoperability) vor. Beide Projekte machen ähnliches: epSOS treibt in 12 Ländern die Möglichkeit für elektronische Rezepte und die Abrufbarkeit der elektronischen Patientenakte (EPA) voran, mit Schwerpunkt auf den juristischen und verwaltungstechnischen Aspekten. CALLIOPE betreibt das gleiche nur in ein paar mehr Ländern und mit Schwerpunkt auf der technischen Seite.
Auf die Frage, wie gross die Zahl der möglicherweise in den Genuss einer "interoperablen" eHealth-Leistung kommenden Patienten sei, und wie vielen dieser reisenden Patienten bislang durch das Fehlen von epSOS ein gesundheitlicher Schaden im Ausland erwachsen sei, wusste man keine Antwort. Das Bundesgesundheitsministerium meinte immerhin, dass 1 bis 1,5% aller in Deutschland abgerechneten Behandlungsfälle im Ausland erbracht würden! Ob sich für diese Patienten durch epSOS etwas verbessern würde, interessiert niemanden, Hauptsache es wird gemacht. Bezahlt wird alles von den Steuerzahlern.