Donnerstag, Oktober 25, 2007

Proxy
Der ehemalige Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz hat in seinem Buch erzählt, wie sich die Gefangenen gegen ihre Bewacher organisiert haben. So hätten sie heimlich einen Anführer gewählt, der Informationen und Aktionen zu koordinieren hatte. Und sie hätten öffentlich einen nur vermeintlichen Anführer ernannt, den sie gegenüber den Amerikanern, also ihren Bewachern, als ihren Anführer ausgaben. Die Amerikaner haben dann ihre Gespräche mit dem öffentlichen, aber nur vermeintlichen Anführer geführt, der stets nur auf Anweisungen und Beschlüsse des geheimen wahren Anführers gehandelt und gesprochen hat.
Eigentlich ein geniales, altbewährt anmutendes Prinzip des Schutzes einer Struktur.

Dass auch Nationen ihre Strukturen ähnlich schützen, erscheint darum mehr als wahrscheinlich. Man stelle sich darum mal vor, die Politik sei nur eine öffentliche Spielwiese, die Politiker marionettenhafte Stellvertreter der wahren Machthaber im Lande. Wenn man sich die politischen Figuren anguckt und die Art und Weise, wie die mit Problemen und Kritik umgehen, dürfte das nicht allzu schwer fallen. Der deutsche Politikzirkus hat ja durchaus seinen Unterhaltungswert - so wie Fussball und Pferdewetten auch. Alle arbeiten sich an diesen Puppen ab: Die Journalisten, die Kabarettisten, die Bürger mit Wahlbeteiligung, Leserbriefen, Demonstrationen, Petitionen, Podiumsdiskussionen, Weblogs usw usf. Wobei die Profis auf der Bühne mehrheitlich ahnen oder wissen, dass sie sich nur mit Stellvertretern kabbeln, während die Bürger wohl mehrheitlich glauben, tatsächlich die Macht zu kritisieren.
Wenn ein eher linker Politiker auf dem Machtgipfel mal aus dem Ruder läuft und im Extremfall glaubt, tatsächlich der mächtigste Mann zu sein, dann wird er eben erschossen - wie mit Kennedy geschehen; oder der Geheimdienst lässt ihn auflaufen, so das er zurücktreten muss, wie bei Brandt geschehen. Eher linke Politiker an der Machtspitze im Staat sind hier zu Lande äusserst selten und nie mehr als zwei Amtszeiten an der Macht - vorher werden sie rausgemobbt. Brandt durch den Geheimdienst, Schmidt durch vier FDP-Minister, Lafontaine ging sofort, Schröder erst ein bisschen später - aber beide auf dubiose Art.