Montag, Mai 04, 2015

Deutscher Volkscharakter: anderen Leuten am Bart ziehen

Neulich habe ich ein DejaVu mit einem anderen Symptom der Nazizeit gehabt: in der Kassen-Schlange bei Netto (Skulls & Bones?) stehe ich hinter einem Mann mit einem vollen Einkaufswagen, da höre ich hinter mir eine ältere Dame darüber lästern, dass manche Kunden so unverschämt seien, soviel einzukaufen, während die bescheideneren  warten müssten, womit sie versuchte, mich in ihr Pöbel-Boot zu ziehen, weil auch ich wenig dabei hatte. Hätte ironisch gemeint sein können, aber die Frau hörte nicht auf, über den Einkauf des Mannes zu lästern, der das ganze Band vollpackte, mit vielen, aber billigen Artikeln. Irgendwann bekam der einen roten Kopf und bot ihr und mir genervt an, uns vorzulassen. An seinem Akzent meinte ich zu erkennen, dass es sich wohl um einen Russlanddeutschen handelte. Ich lehnte sein Angebot ab und beschwichtigte ihn, die Lästerei der Frau als Humor zu nehmen und sich nicht weiter darum zu scheren.  Aber die Frau pöbelte weiter. Ich meinte dann zu ihr, es sei reichlich daneben, den Einkauf anderer Leute zu kommentieren, was jemand einkaufe, sei allein dessen Sache. Die alte Frau wirkte nicht arm, eher armseelig  gebildet deutsch. Was jemand konsumiert und zu Hause verwendet, ist eigentlich etwas ziemlich Persönliches, das während eines Einkaufs öffentich wird, vielleicht darum sieht man unsere Prommies nie selbst einkaufen, die bestellen entweder im Internet oder schicken ihre Bediensteten in die Läden, und Datenschützer warnen vor dem Einkauf mit Karte (nebenbei: vielleicht ist auch das der Grund, warum meine Überwacher meine Internet-Bestellungen penetrant sabotieren: das soll den Eliten vorbehalten bleiben; die Unterschicht soll sich mit ihren Einkäufen den Blicken und Kommentaren des deutschen Überwachungs-Pöbels aussetzen). Wenn man nicht mit ehrlicher Kontakabsicht einen witzigen oder zumindest wohlwollenden Kommentar abgibt, ist die Kommentierung der durch einen Einkauf im Laden öffentlich gewordenen Privatheit eigentlich  charakterlos und hat Naziniveau.  Dieser penetrante und dreiste Zugriff auf öffentlich sichtbare Privatheit von Menschen, hat mich an jene filmischen Doku-Szenen  erinnert, in denen die gemeine Bevölkerung unter dem Schutz bewaffneter, uniformierter Nazis den jüdischen Männern ungestraft am Bart und den Schläfenlocken ziehen durfte, und den Frauen an den Haaren. Diese widerliche Art wird offenbar weiterhin betrieben, weshalb man sie wohl als deutschen Volkscharakter bezeichnen darf.