Freitag, Juli 17, 2015

Der erste von 10 000

Neulich war ich im Bürgeramt um einen neuen Perso zu beantragen. Auf einem Kundenbearbeitungsplatz neben mir saß ein junger Mann in meinem Alter, der einen neuen Reisepass haben wollte. Alles lief glatt, bis zu dem Moment, als er seine Fingerabdrücke abgeben sollte. Er fragte die Sachbearbeiterin, ob das Pflicht oder Kür sei. Sie meinte, das müsse laut Gesetz so sein. Auf seine Nachfrage, wo genau das geschrieben stünde, konnte sie nur das Paßgesetz, aber keinen Paragrafen nennen. Der Kunde meinte, zur eindeutigen Identifizierung würden doch eigentlich die Abdrücke der kleinen Finger ausreichen, warum die der Zeigefinger genommen werden, das könne dann doch für andere Zwecke misbraucht werden. Die Sachbearbeiterin versicherte, die eingescannten Abdrücke würden sofort nach dem Abschicken des Antrags wieder vom Computer gelöscht, worauf der Kunde meinte, er glaube nicht mehr an den Weihnachtsmann. Die beiden kamen überein, dass der Kunde sich erst noch schlau machen wolle, was genau im Passgesetz steht,  und die Sachbearbeiterin meinte, sie könne nicht darauf warten, das sei nicht vorgesehen, er sei der erste von zehntausend Antragstellern, der darüber diskutiere, und sie müsse den Vorgang komplett rückabgewickeln. Weiterlesen

Freitag, Juli 03, 2015

Hat der Staat eine Nase

auf der ihm Leute herumtanzen können?  Das jedenfalls meint manchmal der eine oder andere staatliche Vertreter.
Mir scheint, wer den Staat mit einer Nase sieht, spricht von einem Schnüffelstaat, also einem Polizei- und Geheimdienst-Staat. Und der ist kein demokratisch-rechtstaatlicher.

Immer dann, wenn die Eingriffsrechte des Staates vergrössert werden sollen, wird der Staat vermenschlicht; etwa mit der Behauptung, der Staat dürfe sich von niemandem auf der Nase herumtanzen lassen; aber sobald jemand den Staat für staatliche Verfehlungen zur Rechenschaft ziehen will, ist der Staat plötzlich ein anonymes Gebilde, und es heißt dann etwa, im Staat herrsche Gewaltenteilung, es gebe keine Alleinverantwortung, der Staat sei ein kompliziertes Gebilde, da könne es schon mal Fehler und Irrtümer geben, ohne dass jemand dafür verantworltlich zu machen sei, der Staat sei kein fertiges Werk, sondern quasi eine Dauerbaustelle, ein Work in Progress, alle seien aufgerufen, über Fehler großzügig hinweg zu sehen und an Verbesserungen mit zu arbeiten.  Also: Wenn es was zu verteilen gibt, wollen alle ein Recht darauf haben; wenn es um Verantwortung für Verfehlungen gar Verbrechen geht, will es keiner gewesen sein.