Sonntag, Oktober 24, 2004

Bundesbeauftragter für den Datenschutz: Staat gefährdet Grundrechte der Bürger

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz Peter Schaar sieht das Grundrecht der Bürger auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet. In einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin Euro für die kommende Ausgabe erklärte Schaar, die Behörden seien offensichtlich bemüht, unter Einsatz moderner Technik alle möglichen Lebenssachverhalte zu erfassen, um damit jegliches Fehlverhalten frühzeitig zu erkennen. Der Einzelne werde Gegenstand einer Durchleuchtung, deren Umfang er längst nicht mehr durchschauen könne.

Es würden zwischen Arbeitsverwaltung, Steuerbehörden oder Polizei immer mehr Informationen getauscht, sagte Schaar weiter. Die Beobachtung und Registrierung des Bürgers werde zum Regelfall. Einige der neuen Maßnahmen seien verfassungsrechtlich bedenklich.


Heise-Meldung vom 18.10.04

Meiner Wahrnehmung nach, ist es sogar noch schlimmer, die Datenerfassung und ihr Austausch noch umfassender.
Drei Aspekte machen das Ganze so gefährlich: Die Datenerfassung dient nicht einer neutralen und transparenten Institution, sondern ist kaum kontrollierbar und wird von Macht-Eliten missbraucht, um andere Bürger, das gemeine Volk, die Weniger-, Nicht- und UnterPrivilegierten immer perfekter in den Griff zu bekommen.

Während es früher ein enormer Aufwand war, Informationen über die Bürger auf Karteikarten zu speichern und möglichst verfügbar zu halten, so gibt es diesen ehemaligen Flaschenhals, der vor der massenhaften Komplett-Erfassung einigermassen schützte, heute so nicht mehr.

Fast sämtliche Lebensbereiche laufen über EDV / IT sind also jederzeit und überall observierbar. Alles was via Internet oder über Behörden und Institutionen angebahnt und abgewickelt wird, ist schnell und gründlich erfassbar. FilterProgramme fischen jedes gewünschte Profil heraus.

Aber es sind auch die vermeintlichen Kleinigkeiten, die ein hohes Gefährdungspotential aufweisen.

Vor etlichen Jahren, ich war neu in eine Wohnung gezogen, da sehe ich durchs Fenster, dass ein moderner KleinTransporter vorm Haus hält, zwei Männer in weissen Overalls steigen aus, einer mit Klemmbrett und nehmen den Gelben Sack mit, den ich grade rausgestellt hatte. Ich war ziemlich überrascht und überlegte, wer das gewesen sein könnte, wer ein Interesse und welches Interesse daran haben könnte, an meinem Abfall. Denn weder der Wagen noch die Typen trugen ein FirmenSignet.

Aus dem Inhalt der Gelben Säcke lässt sich einfach und sicher eine ganze Menge elementarer Informationen über den jeweiligen Haushalt herauslesen und grade bei Single-Haushalten ist eine personale Zuordnung recht eindeutig machbar. Die Informationen sind schnell in ein Datensystem speicherbar und stehen überall zur Verfügung. Auf einigen Packungen befinden sich sicher Fingerabdrücke, die man abnehmen kann. Hat man eine zentrale Fingerabdruckdatenbank fast aller Bürger, könnte man auf diese Art fast jeden Abfallsack einer bestimmten Person zuordnen. Liegen Medikamtenpackungen im Abfall? Gegen welche Krankheiten?

Der andere Sektor mit scheinbar namenlos und nicht kontrollierbarer Konsummöglichkeit, ist der ganze Bereich technischer Geräte und anderer Dinge für Haushalt und Hobby, die man bar/cash kauft. Da ist es aber so, dass bei Reklamationen und Umtausch die Personalien angegeben werden sollen - angeblich fürs Finanzamt. Da wird dann vermutlich in der Firma selbst, aber auch irgendwo in einer Behörde registriert und wer weiss wie lange gespeichert, welche Bekleidung, welche Software, welches Gerät, wer wo und wann gekauft und dann reklamiert hat.

Auf alle BehördenDaten haben staatliche Ermittler Zugriff. Auch Verdacht unabhängig. Die können von sämtlichen staatlichen Stellen die Informationen zur Person abgreifen, wie zB auch von den Leihbüchereien, welche Medien sich jemand bisher entliehen hat. Daraus lässt sich oft schon ein markantes Persönlichkeitsprofil erstellen. Je mehr Daten, desto besser kann ein Profiler virtuell in die Haut einer Zielperson schlüpfen und ihr Verhalten vorhersagen.

In den Schulen gibt es ja eine mindestens 20jährige Aufbewahrungsfrist für Klassen- und Abschlussarbeiten - angeblich als Sicherheit gegen juristische Reklamationen (Wer reklamiert noch nach 20 Jahren seine Schulzensuren?). Wer also bis etwa zum 40. Lebensjahr irgendwie das Interesse von Datensammlern/Ermittlern auf sich zieht, aus welchen Gründen auch immer, sollte vielleicht damit rechnen, dass seine alte Schule Besuch von diesen Leuten bekommt und seine Klassenarbeiten durchgesehen werden? Grafologisches Gutachten und natürlich inhaltlich die Art zu formulieren, zu denken.

Es geht bei dem Ganzen auch darum, Leute die sich Gesetzes konform verhalten, die man also mit den üblichen Repressalien nicht in den Griff bekommt, dennoch effektiv lenken und formen zu können, wohin und wie man sie haben will. Und zwar möglichst unsichtbar, also ohne Aufsehen zu erregen, unter dem Mantel des Alltags, hinter den Kulissen der Normalität. Um die Zielpersonen zu Marionetten zu machen, muss man die individuellen Anknüfpungspunkte herauskriegen. Abneigungen und Vorlieben, um die Zielpersonen gezielt zu ködern oder unter Druck zu setzen.

Gelingt es nicht, den Bürger so zu provozieren, dass man ihn in den Knast verfrachten kann, nimmt man ihn durch andere Methoden in die Zange. Zum Beispiel mittels des Medizinwesens. Vielleicht auch darum wird möglichst jeder Bürger irgendwie an den Medizinbetrieb (vulgo Gesundheitswesen) gebunden. Sei es durch regelmässige Diagnose- und TherapieIntervalle, und der Definition auch kleinerer Befindlichkeitsprobleme zu Krankheiten - auf dass jeder Bürger immer mal wieder in Kontakt mit einem Arzt kommt und dadurch als Person überprüfbar wird - ähnlich wie beim Auto TÜV, ASU und die Werkstattintervalle.

Und medizinische PatientenDaten haben es dann wahrscheinlich nicht mehr allzu weit bis zu Datensammlern und Ermittlern. Beispielweise in einer Universitäts-Klinik braucht es dazu wohl lediglich eine einzige ärztliche Kontaktperson. Es kann mir keiner erzählen, dass wenn ein staatlicher Ermittler so einen kooperationswilligen Arzt oder eine Ärztin telefonisch kontaktiert und um Informationen zu einer bestimmten Person bittet, dass nicht problemlos die Patientendaten aus dem medizinischen Datennetz (bundesweit) geschöpft und dem Ermittler in groben Zügen und auch Details zur Person und ihrer Lebensgeschichte genannt werden. Von dem Vorgang gibt es dann nichts Schrifliches, keine Belege, keine Zeugen. Aber die Ermittler haben bekommen, was sie wollen.

Frage: Was hindert zB eifrige Datensammler/Ermittler daran, womöglich privat einen unangreifbaren Server irgendwo auf Vanuatu oder so, zu mieten (*.de/vu) und dort über Bundesbürger Daten zu speichern, die hier nicht gespeichert werden dürfen oder hätten gelöscht werden müssen, und die sie selbst ermittelt oder aus dem System geschöpft haben? Ohne Computer und Internet vor noch wenigen Jahren undenkbar - heute machbar und preisgünstig.