Freitag, Mai 27, 2005

Verständnis für Ärzte?

Es gibt sie tatsächlich: Leute, die daherkommen und von Patienten oder unverschämter noch, von Opfern von Ärztepfusch und Ärzteverbrechen, Verständnis für die ach so verzweifelten Ärzte einfordern oder zumindest erwarten. Das wäre fast so, als sollten Schafe im Schlachthof Mitleid mit den Schlachtern haben, die gezwungen sind, für billig Geld, im Akkord und mit stumpfen Messern, den Tieren das Fell über die Ohren zu ziehen. Ärzte sind nunmal das Zentrum des herrschenden Medizinbetriebes - alles andere und alle anderen drehen sich um sie. Ärzte sind sehr gut organisiert und stellen den grössten Machtfaktor dar. Patienten dagegen sind per se erstmal gesundheitlich geschwächt, vereinzelt und medizinische Laien - also der absolut schwächste Part. Ausnahmen sind vielleicht jene Menschen, die qua Beruf Inhaber einer gewissen Gegenmacht sind (Juristen, Journalisten, Politiker). Wenn Ärzte ihre vorhandene Übermacht nicht adäquat umsetzen, in zB bessere Arbeitszeitmodelle und bessere Arbeitsbedingungen, dann ist dafür ursächlich deren Unfähigkeit und Unersättlichkeit, aber sicher nicht ein womöglich ausbleibendes Verständnis von Patientenseite! Patienten haben - auch notgedrungen - immer die Hand zum Arzt hin ausgestreckt. Ärzte waren und sind es, die diese Hände ignorieren oder ausschlagen. Patienten riskieren beim Kontakt mit dem hiesigen Medizinwesen ihre RestGesundheit und ihr Leben - und dann sollen sie auch noch Verständnis für Ärzte aufbringen, die nichtmal Zeit und Geld, geschweige denn Karrierechancen riskieren wollen? Ärzte wollen einfach zu viel: Hohes Sozialprestige, viel Geld und viel Freizeit um das viele Geld ausgeben zu können, grosse Macht und tiefe Einblicke bei wenig Verantwortung, Ruhm, Ehre, Anerkennung, Dankbarkeit, wissenschaftliches Renommee, berufliche und finanzielle Sicherheit auf höchstem Niveau, Unfehlbarkeit und Unantastbarkeit. Wenn da etwas nicht passt, sind sie im Stress und das geht überwiegend zu Lasten von Leib und Leben ihrer Patienten, die aber für diese Ärzte auch noch Verständnis aufbringen sollen. Fasst euch mal an den Kopp. Wenn die ach so bedrängten und verzweifelten Ärzte es doch eigentlich auch nur gut mit den Patienten meinen, ja warum organisieren diese Ärzte sich denn nicht - zB in bereits lange bestehenden seriösen Vereinigungen, wie dem Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte und bewegen etwas - und sei es nur für einzelne Aktionen, wie zB Petitionen an den Bundestag, eine Unterschriftensammlung an die Gesundheitsministerin und einen runden Tisch mir ihr und anderen Verantwortlichen und dergleichen andere Möglichkeiten einer demokratischen Gesellschaft?! Oder suchen den intensiven Kontakt zu Patientenorganisationen?! Diese Einrichtungen dümpeln vor sich hin. Oder sind Ärzte so konservativ und glauben nicht an Demokratie? Und warum finden sich so wenige Ärzte, die als seriöse Gutachter bei Ärztepfusch auftreten wollen oder können? Wenn es wirklich nur ein paar schwarze Schafe unter den Ärzten wären, die gefährlich für Patienten sind, dann müsste doch die Masse der Ärzte voller Mitgefühl jedes Opfer von Ärztepfusch, das angeblich nur ein Einzelfall ist, mit offenen Armen empfangen, um es seriös zu untersuchen und dem kriminellen Kollegen dessen schmutziges Handwerk zu legen. Passiert aber nicht! Patienten laufen gegen Wände oder ins Leere, auf der Suche nach einem seriösen medizinischen Gutachter. Namen und Adressen solcher Gutachter werden fast konspirativ nur im persönlichen Kontakt mit starken Patientenorganisationen weitervermittelt. Wobei es sich meist um Ärzte handelt, die aus Altersgründen raus aus dem laufenden Medizinbetrieb sind und keine Sorge mehr um ihre Karriere haben müssen, bei einer seriösen Begutachtung von Ärztepfusch am Patienten. Sind das angemessene, akzeptable Zustände eines demokratischen, transparenten, am Patienten orientierten, seriösen Gesundheitswesens, das seinem Namen wirklich gerecht wird? Es ist das Gegenteil davon und eine Schande! Ich schreibe hier seit zwei Jahren sehr kritisch über deutsche Ärzte und das deutsche Medizinwesen und habe hier auch meine persönliche Geschichte als Patient mehr oder weniger deutlich offenbart - sogar einen Aufruf, eine Anfrage habe ich hier gemacht - ich suchte sowohl einen seriösen, engagierten medizinischen Gutachter als auch einen ebensolchen Rechtsanwalt. Ich gehe davon aus, dass hier auch Leute aus beiden Berufsgruppen mitlesen. Wo waren die seriösen Ärzte, die Patienten die Hand reichen und helfen wollen? Mich hat niemand kontaktiert. Wie muss es dann erst den anderen Opfern von Ärztepfusch und Ärzteverbrechen ergehen, die ihr Leid nicht mal mehr als iatrogen öffentlich machen können und die weit schlechter qualifiziert sind und weniger Möglichkeiten haben als ich? Gab es jemals eine Zeit, in der man sich auf (s)einen Arzt blind verlassen konnte? Wenn die persönliche Beziehung zum Arzt darüber entscheidet, ob ein Patient gut oder schlecht behandelt wird, dann stimmt was nicht. In diesem Medizinwesen sind nicht nur jene Patienten gefährdet, die ihre Verantwortung für die eigene Gesundheit unkritisch dem Arzt überantworten. Auch und grade solche Menschen, die einen Arzt nur an sich heranlassen, wenn sie gar keinen anderen Ausweg sehen und zuvor alles in ihrer Macht stehende getan haben, um sich selbst zu helfen, sind höchst gefährdet. Zum einen weil sie quasi die Halbgott-Stellung des Arztes dadurch antasten, dass sie sich weitgehend selbst diagnostizieren und therapieren und damit womöglich seinen Machtanspruch provozieren, und dadurch dass solche Patienten sich dem Dauerzugriff des Medizinwesens entziehen würden, machte der Arzt sie wieder gesund. In beiden Fällen fordern grade solche sehr eigenständigen Patienten womöglich eine gesundheitsschädliche Intervention des Arztes heraus, die sie zu Dauerpatienten, zu Dauerabhängigen von Ärzten, Gerätschaften, Medikamenten und dem Sozialstaat macht. Gewissermassen das Medizinwesen resp. der Arzt als verlängerter Arm einer Staatsauffassung, die keine tiefe individuelle Autonomie des Bürgers erträgt und duldet. Lange Wartezeiten auf Diagnose oder Therapie (in England am schlimmsten)? Das stelle ich sehr in Frage. Grundsätzlich scheint mitlerweile bei allen Beteiligten im Medizinbetrieb unstrittig, dass es zuviele überflüssige Untersuchungen und Behandlungen gibt. Würde man die vermeiden, gäbe es womöglich nicht nur keine Wartezeiten für wirklich sinnvolle und notwendige Dinge mehr - es wäre für Patienten auch weniger riskant. Aus meiner persönlichen Erfahrung als Patient kenne ich diese Praxis selbst zu Genüge. Vor ganz vielen Jahren bekam ich vom niedergelassenen Arzt eine Überweisung zu einer Herzkatheter-Untersuchung an der Uniklinik (hatte ich hier vor längerem schonmal geschildert). Aus Angst vor der Untersuchung bin ich dort nicht hingegangen, habe den Überweisungsschein nie "eingelöst". Der Arzt schrieb mir dann ersatzweise eine Ultraschalluntersuchung auf. Das ging schnell, ohne Eingriff, ohne Probleme und ohne pathologischen Befund über die Bühne. Für mich war es weniger riskant und für die KK sicher um vieles billiger als eine Herzkatheteruntersuchung. Jahre später sagte mir der Arzt, seine damalige Verordnung zur Katheterisierung sei wohl übertrieben gewesen. Warum nicht gleich so? Bei dem selben Arzt bekam ich nach einer Blutabnahme eine Entzündung, die behandelt werden musste. Ich hatte Schmerzen und konnte lange Zeit meinen Arm nicht mehr strecken. Folge einer simplen Blutabnahme in der Ellenbeuge. Wenn man das mal hochrechnet, was alles passieren könnte bei einer Herzkatheterisierung, die noch dazu völlig überflüssig ist - da kann einem schwindelig werden. Vor nicht allzulanger Zeit bekam ich von einem anderen niedergelassenen Allgemeinarzt eine Überweisung zum MRT oder CT des Kopfes. Darin habe ich keinen Sinn gesehen, weil ich die Ursache meiner Kopfschmerzen ganz woanders wusste. Also habe ich diesen Überweisungsschein auch nie "eingelöst". Mir hat es Zeit, Unanehmlickeiten und eine Strahlenbelastung erspart und der KK Kosten, und vielleicht hat ein anderer Patient, der solch eine Untersuchung wirklich benötigte, darum weniger lange warten müssen. Drittes Beispiel war die Überweisung für eine Darmspiegelung. Ich habe erstens keinen Sinn in dieser Untersuchung gesehen, zweitens glaubte ich nicht, eine schwere Krankheit in dem Bereich zu haben und drittens würde ich mich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch im Krankheitsfalle nicht mehr operieren lassen. Also habe ich auch diese Untersuchung nicht machen lassen und mir geht es nicht schlecht damit. Was zeigen diese Beispiele? Es gibt sehr viele unnötige Untersuchungen, die weniger mit dem Wohl oder Interesse des Patienten zu tun haben, als mit dem Profit der Ärzte, und die Patienten unnötig gesundheitlich gefährden. Die beklagten Wartezeiten für Kassenpatienten auf Untersuchungen oder Therapien scheinen mir kein Problem der ZweiklassenMedizin zu sein, sondern müssten womöglich nicht sein, würden Ärzte sich am Patientenwohl und nicht primär am Profit orientieren. Nie den Ärzten ganz vertrauen, immer für sich selbst die Verantwortung übernehmen, bis es wirklich nicht mehr geht. Es ist die Ursünde unserer Gesellschaft, dass Ärzte nicht für unsere Gesundheit bezahlt werden, sondern für unser Kranksein. Gesetzt den Fall, Ärzten gelänge es, alle Patienten gesund zu machen. Dann lägen etwa 200 Milliarden Euro bei den Krankenkassen, aber kein Arzt bekäme auch nur einen Euro. Ist doch irre, nicht? Fast 40 DM (~18 €), für einen rein persönlichen Erlebnisbericht einer (Krebs)Patientin bezahlen, den der Leser in knapp zwei Tagen durchgelesen hat? Reichlich happig. Ich schreibe hier, ohne auch nur einen Cent dafür zu nehmen und zu bekommen. Vielleicht sollte ich wirklich ein Buch schreiben. BoD? Das wäre dann aber eine ärztliche Kriminaldokumentation.