Donnerstag, August 19, 2004

Hartz IV - Gesellschaft als Pulverfass

Vernünftig finde ich, dass für den sozial finanzierten Unterhalt eines LangzeitErwerbslosen, es weniger einer Rolle spielt, wie hoch sein letztes Einkommen vor Jahren war, sondern wichtiger ist, wie seine finanzielle Bedürftigkeit momentan aussieht. Und ich finde es okay, dass jeder zunächst sein vorhandenes Vermögen zum eigenen Unterhalt einsetzen muss, bevor die Sozialsysteme aktiv werden.
Es geht immerhin um die Finanzierung von etwa fünf Millionen erwerbslosen Menschenleben und um einen horrende überschuldeten Staatshaushalt und eine lahme nationale Wirtschaft.

Nicht nachvollziehen kann ich allerdings, wenn für die Zahlung der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld zukünftig die Dauer der Einzahlung keine Rolle spielen soll. Wenn jemand der zB 20 Jahre lang eingezahlt hat, genauso lange Arbeitslosengeld bekommt, wie einer der zB 5 Jahre eingezahlt hat. Warum man keine zeitabhängige Formel dort eingebaut hat, ist mir schleierhaft.

Wichtig scheint mir dreierlei: Die finanzielle Grundsicherung muss wirklich ausreichen für ein menschenwürdiges Leben, also auch Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Der Staat muss seine eigenen Pflichten besser wahrnehmen, also darf seine Bürger nicht um ihre Grund-, Menschen und sonstigen Bürger-Rechte prellen. Und der Staat darf seine Bürger nicht an anderer Stelle finanziell ausbeuten, sondern muss im Gegenteil entlasten.

So ist laut Medienberichten in der Bevölkerung in den letzten Monaten das Konfliktpotential angestiegen, es gibt mehr und heftigeren Streit und Zoff untereinander. Vermutlich wegen der angespannten wirtschaftlichen und sozialen Lage im Lande. Sind nicht auch Gebühren und Kosten für Rechtsanwälte und Justiz angehoben worden?

Grundsätzlich verschärfend ist die Konstruktion, dass es einen juristischen Marktwert für Kraftausdrücke gibt. Streit und Händel nicht als Anlass, hier schlichtend und beruhigend ein zu wirken, sondern daraus wollen Juristen Kapital schlagen, resp. der Justizapparat repressiv einwirken.

Dazu kommt noch das überkommene und international einmalige Verbot uneigennütziger also kostenloser RechtsBeratung durch Juristen und des rechtlichen Beistandes durch kundige Laien oder anderweitig juristisch Gebildete. Der Bürger bewegt sich im Alltag durch ein juristisches Minenfeld - ein falscher Schritt, ein falsches Wort und er muss erheblich investieren: Zeit, Geld und Nerven. Sowas stört die Entwicklung eines entspannten Miteinanders und einer im Kern befriedeten Gesellschaft mit zufriedenen Einzelindividuen.

Meiner Ansicht nach hat der Staat hier die Pflicht, für Ausgleich zu sorgen zB indem das Mittel der Streitschlichtung und Mediation ausgebaut und rechtliche Beratungen von Restriktionen befreit werden. Viele Auseinandersetzungen könnten ohne teure Anwälte und zeit- und kostenaufwändige Prozesse beigelegt, geschlichtet werden. Das würde die überlastete Justiz frei machen für wirklich notwendige und wichtige Prozesse und sie beschleunigen, und es würde das menschliche zivile Miteinander befrieden, weil es gerechter ist, weil es de-eskaliert und den Bürgern KostenStress erspart.
Wenn der Staat einerseits den finanziellen Druck auf die Bürger erhöht und damit Stress erzeugt, dann muss er auf der anderen Seite beruhigend, de-eskalierend, befriedend wirken, sonst droht die Gesellschaft zum Pulverfass zu werden. Repression löst und befriedet nicht, sondern produziert tendenziell Terror.

So verunsichert wie viele Bürger momentan sind, was ich nachvollziehen kann, grade alte und kranke Menschen, Menschen die extrem beansprucht sind mit ihren Problemen, dass es schändlich und würdelos ist, Unsicherheit und Angst in deren Leben zu zwingen, sie wie Objekte zu behandeln, die man beliebig bearbeiten, manipulieren und hin und her schieben kann, nimmt der Staat seine FürsorgePflicht nicht ausreichend wahr.

Fein raus sind natürlich jene Leute, die schon früh ein stattliches Immobilien-Vermögen geerbt haben und nun durch die Mieteinnahmen ein finanziell sorgenfreies Leben haben. Das dürften überwiegend Wessis sein. Die brauchen sich wohl keine Gedanken um Hartz sonstwas oder ihre Rente zu machen. Brauchen nicht arbeiten gehn, fahren x-mal im Jahr in den Süden - Urlaub vom Müsziggang in Deutschland machen. In deren Alter starten andere nach dem Studium ins Berufsleben - die jungen Immobilienbesitzer hingegen haben jetzt schon ausgesorgt.